Der professionelle Zitherbau setzte allerdings erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Das Instrument erfreute sich in dieser Zeit einer wachsenden Beliebtheit, so dass auch Klang- und Tonqualität und damit auch die Spieltechnik laufend verbessert wurden. Allein in Deutschland wurden zwischen 1877 und 1950 insgesamt 85 den Zitherbau betreffende Patente erteilt! Die Saitenzahl einer Zither ist gegenüber der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von 3 auf bis zu 6 Griffsaiten und von 12 auf bis zu 37 Freisaiten angewachsen. Der Tonumfang einer modernen Konzertzither beträgt zwischenzeitlich 5 1/2 Oktaven und kommt somit dem Tonumfang eines Klaviers (7 Oktaven, 2 Töne) sehr nahe. Den frühen Zitherformen wie z.B. Salzburger und Mittenwalder Formen in all ihren verschiedenen Ausführungen, folgten gegen Ende des 19. Jahrhunderts Weiterentwicklungen zur so genannten Kreuzsaitigen- oder Perfekta-Zither durch Radawitz bzw. F.X. Gütler, Wien (ca. 1890), zur Luftresonanzzither durch Johann Jobst (1882) sowie zur Ideal-Reform-Zither (1902), ebenfalls durch Johann Jobst. Als bedeutendster Spieler der Ideal-Reformzither muss Richard Grünwald genannt werden.
Die Geschichte der Zither
Die Bezeichnung „Zither“ stammt von dem Wort „Kithara“, einer in Griechenland beheimateten Leierform. Allerdings sind sich Kithara und Zither bautechnisch keinesfalls ähnlich, so dass lediglich die Ableitung des Namens von Bedeutung ist. Die Bezeichnung Zither bezog sich lt. Instrumentenforschung auch nicht auf das einzelne Instrument, sondern vielmehr auf eine weit gefasste Gruppe von Saiteninstrumenten. Eine allgemeine Einbürgerung des Namens „Zither“ ist wohl auf das Wirken des Wiener Zither-Virtuosen Johann Petzmayer (1803 – 1888) in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückzuführen. In welchem Land jedoch der eigentliche Ursprung der heute gebräuchlichen Zither liegt, konnte bis jetzt noch nicht mit Bestimmtheit festgestellt werden, auch wenn als Ursprung Westasien angenommen wird. Neben der Urverwandtschaft zum chinesischen „Kin“, japanischen „Koto“ und zur altindischen Röhrenzither „Vina“ sind für die heute bekannte alpenländische Zither ursprüngliche Zitherarten und –formen wie z.B. Scheitholt, Kratz- und Schlagzither, Salzburger- oder Mittenwalder Formen in all ihren verschiedenen Ausprägungen und Stilrichtungen maßgebend gewesen.
Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte die Zither in München vor allem in den höfischen Kreisen um Herzog Maximilian in Bayern (1808 – 1888) sowie in der sozialen Oberschicht große Beliebtheit. Bedingt durch die fruchtbare Bekanntschaft mit dem Wiener Zithervirtuosen Johann Petzmayer im Jahre 1837, welchen Herzog Max zum Kammervirtuosen ernannte, begeisterte sich auch seine kgl. Hoheit selbst für das Zitherspiel und ging schließlich als „Zither-Maxl“ in die Annalen der Münchner Zithergeschichte ein. Seine Kompositionen und musikalischen Aufzeichnungen sind seit ca. 1840 Grundlage vieler Volksmusikanten und Zitherspieler sowie reichhaltiges Fundament im Musikgeschehen.
Die in den Jahren 1838 und 1844 erschienene Zitherschule des im südpfälzischen Hayna (bei Landau) geborenen Nicolaus Weigel ,beruhte bereits auf der von ihm systematisierten Besaitung der Zither. Max Albert führte Weigel’s Idee schließlich bis zur sog. Normalstimmung fort. Den hier genannten Personen ist es wohl maßgeblich zu verdanken, dass die Zither zu dem geworden ist, was es heute ist – ein Volksmusik- und einzigartiges Künstlerinstrument!
Federführend für viele namhafte Instrumenten- und Zitherbauer
des 19. Jahrhunderts, darf der aus Mittenwald stammende und in Wien tätige
Zithermacher Anton Kiendl genannt werden. Kiendl (1816 – 1871)
erlangte als erster großer und einflussreicher Wiener Zitherhersteller
Berühmtheit. Dessen Zither-Modelle hatten für sehr viele
Zither- und Instrumentenbauer im Süd- und mitteldeutschen Raum Vorbildcharakter,
nicht zuletzt auch begründet durch Kiendl‘s auflagenstarke Produktion von ca.
15.000 Instrumenten in den Jahren 1844 – 1871 sowie durch seine herausragende
Popularität. Bezeichnend sind auch die engen Kreise Kiendl‘s zu seiner kgl.
Hoheit Herzog Maximilian in Bayern.
Zur Riege der besten Zitherbauer im 19. und teils auch noch im 20. Jahrhundert zählen noch Georg Tiefenbrunner, Johann Haslwanter und Max Amberger.
Der gebürtige Münchner Max Mathias Amberger erlernte den Zitherbau bei Georg Tiefenbrunner, machte aber durch eine eigene Neukonstruktion mit längerer Mensur (421-426 mm), welche er für den Zithervirtuosen Franz Xaver Steiner anfertigte, auf sich aufmerksam. Nach dem Tode Max Ambergers führte dessen Sohn Heinrich Max (1863 – 1910), und nach dessen Ableben seine Witwe die väterliche Firma noch bis zum Jahr 1921 weiter. Im Jahr 1921 wurde die Firma Amberger schließlich von der weltberühmten Gitarrenbauwerkstätte des Hermann Hauser übernommen, welcher die Firmenbezeichnung noch mindestens bis 1927 weiterführte. Amberger-Zithern werden auch heute noch von vielen Zitherspielern geschätzt;
Die seit ca. 1900 gebräuchliche Diskantzither weist mittlerweile eine nochmals verlängerte Mensur von 435 mm auf. Üblicherweise werden Diskantzithern als Konzert- oder Harfenzither gebaut. Neben der Diskantzither gibt es in der „Zither-Familie“ noch die Quint-, Alt-, und Basszither. Während die Altzither schon im 19. Jahrhundert gebaut wurde, sind Quint- und Basszither erst gegen 1930 durch den renommierten Zitherbauer Adolf Meinel entstanden.
Im Vergleich zu den Streichinstrumenten ist die Zitherfamilie so gesehen noch sehr jung. Bedingt durch die umfangreiche Entwicklungsphase kann man m.E. behaupten, dass die Form der heute gebräuchlichen Diskantzither erst seit den 1920er Jahren in einer gefestigten Form besteht. Abgesehen von Fein- und Eigenheiten eines jeden Zitherbauers bzw. deren „Zitherbau-Geheimnissen“ wird diese Diskantzitherform bis heute –mit und auch ohne Luftresonanz- gebaut und gespielt.
Quelle:Marcfoto, Marc Gilsdorf Fotografie Garmisch-Partenkirchen
Damit soll allerdings nicht ausgesagt sein, dass die Zither keine Weiterentwicklung erfährt. Seit den 1960er Jahren wurden und werden auch Zithern in Psalterform gebaut. Der Klang dieser Instrumente entspricht zwar m. E. nicht dem „warmen und weichen“ Klang einer guten Harfen- oder Luftresonanzkonzertzither, eignet sich aber dafür m.E. besonders für Barock- und Alte Musik oder auch für zeitgenössische Zitherliteratur.
Zusammenfassend betrachtet dürfte die Entwicklung der Zither immer noch nicht abgeschlossen sein, auch wenn durch die große Bandbreite verschiedener Arten von Zithern den musikalischen Bedürfnissen im Musikgeschäft nunmehr weitgehendst Rechnung getragen wird.
Ach, 20.05.2010
Christoph Schwarzer
NEU - Buch "Die Zither in Böhmen, Mähren und Schlesien" hier erhältlich